Rezension – Leftover von Vincent Fricke
„In deinem Kühlschrank steckt mehr als du denkst“ – unter diesem Motto ist im September das neue Buch „Leftover*“ von Vincent Fricke im Umschau Verlag** erschienen. Mein erster Gedanke war: wie soll man denn ein Kochbuch mit Resten gestalten? Es weiß doch nie einer ob und was ich da im Kühlschrank habe, geschweige denn ob es bald weg muss. Auf der anderen Seite habe ich hier auf dem Blog selbst unzählige Rezepte mit denen man vor dem Urlaub noch schnell den Kühlschrank aufräumen kann, gerade so eine bunte Ofengeschichte macht sich da ja immer gut. Meine Neugierde war also geweckt und nur wenige Tage später habe ich es mir mit dem Buch auf der Couch gemütlich gemacht und geschaut wie das Thema hier angegangen wird.
Das Buch wird übrigens unverpackt vertrieben, also ohne diese hauchdünne Plastikfolie in die viele Bücher eingeschweißt sind. Ich persönlich finde das sehr gut, diese Folie braucht nun wirklich kein Mensch.
Schon beim Vorwort des Autors muss man schmunzeln, Vincent Fricke ist einfach herrlich ehrlich. Übergebliebenes klingt nicht attraktiv, also nennt er das Buch Leftover. Und dann geht es auch schon los, es wird nicht gemeckert und genörgelt wie es bei diesem Thema ja doch recht häufig üblich ist, sondern verständnisvoll betrachtet. Schließlich kocht ja keiner von uns aus Spaß zu viel – mal sind die Gäste weniger hungrig oder wir selbst schneller satt als wir dachten. Und sicher hat er recht, wenn er schreibt dass auch unsere Großmütter gerne mehr gekocht haben als gegessen wurde, schließlich sollte ja bloß keiner hungrig bleiben, aber die sind am Ende halt einfach besser mit den Resten umgegangen. Und dann kommt er zum springenden Punkt: „… für die Leftover-Küche braucht man an sich gar keine fixen Rezepte, sondern schlicht ein wenig Basis-Know-how…“ Ist das am Ende so? Kochen so viele Leute nur nach Rezept und wissen eigentlich nicht was sie da tun (wodurch dann das Basiswissen für die Resteverwertung auf der Strecke bleibt)? Vielleicht ist das so. Ich denke aber ein anderer Punkt ist, dass wir alle auf Blogs, in Büchern und auf Pinterest so viele Ideen sammeln, dass unsere to-do Liste so furchtbar lecker ist, dass man die vermeintlich unattraktiven Reste oft einfach ein paar Tage zu lange vor sich herschiebt bis es dann zu spät ist. So oder so ist das natürlich nicht der Sinn der Sache, aber da hatten unsere Großmütter mit dem eher begrenzten Input an neuen und experimentellen Rezepten natürlich schon eine andere Ausgangssituation. Also müssen wir lernen an unseren (neuen) Aufgaben zu wachsen und genau dafür gibt dieses Buch einem die richtigen Tipps an die Hand – seid kreativ und traut euch ohne Mengenangaben zu kochen!
Zu den harten Fakten:
ca. 256 Seiten
19,8 x 27,2 cm
Hardcover
Die Basis für einen gut geführten Haushalt in der Küche legt laut Vincent ein gekonnter Einkauf – also durchläuft man gleich zu Beginn die Ausbildung zum Leftover-Ninja. Es wird empfohlen zwischen Basis und Großeinkauf zu unterscheiden, eine Einkaufsliste zu führen und sich dann auch an diese zu halten – nicht nur um nix zu vergessen, sondern auch um nicht zu viel zu kaufen. Eine der dafür empfohlenen Apps nutzen wir auch, das ist vor allem dann ideal wenn nicht nur einer den Einkauf macht sondern mehrere Leute wissen sollen was fehlt. Beim Verstauen der Lebensmittel jedes Mal den Kühlschrank komplett auszuräumen ist mir persönlich allerdings etwas viel Aufwand, trotzdem schaue ich natürlich, dass „ältere“ Sachen vorne stehen und neu gekauftes in den richtigen Fächern landet. Auch dazu gibt es eine tolle Übersicht mit vielen guten Hinweisen. Nachdem wir also unsere Ausbildung zum Leftover-Ninja absolviert haben geht es endlich los und wir dürfen kochen.
Den Anfang machen sie Suppen – kein Wunder, schließlich gibt es kaum einen unkomplizierteren Weg um (wenig ansehnliche) Gemüsereste zu verwerten. Das Schöne – man wird wirklich mit unkomplizierten Basics abgeholt. Gemüseschalenbrühe, Knochenbrühe und gute Tipps für Geflügelknochen, Fischkarkassen und Krustentierschalen – ich kann euch das besonders für die Weihnachtszeit ans Herz legen, da kann man nach der ganzen Schlemmerei super zwischen den Feiertagen und Neujahr die Reste verwerten. Weiter geht es mit den Grundrezepten für die Eintöpfe mit oder ohne Fleischansatz. Ich finde besonders gut, dass es zu allen Rezepten ein paar Lieblingsvarianten / Kombinationsmöglichkeiten von Vincent gibt, zum Beispiel für den Eintopf die Idee ihn mit Kichererbsen, Karotten und Blumenkohl oder Berglinsen, Petersilienwurzeln, Zucchinis und Aubergine zu zaubern.
Bei den Gemüsesuppen wird dann zwischen den Topfsuppen und den Ofentopfsuppen unterschieden – mit einer Übersicht welche Gemüsesorten einfach direkt gekocht werden können (zum Beispiel Zucchini, Paprika oder Wirsing) und welche man vorher im Ofen vorgaren und entwässern sollte (zum Beispiel Fenchel, Kürbis oder Topinambur). Es gibt für beide Suppentypen eine Basisliste welche Zutaten da sein sollten und dann jede Menge Anregungen für passende Kräuter und Gewürze. Bei mir hat noch eine letzte große Zucchini aus eigener Ernte im Gemüsefach auf ihren Einsatz gewartet und so habe ich die Zucchinisuppe mit Thymian (eine Topfsuppe) ausprobiert. Super lecker und total unkompliziert!
Es folgen noch Klassiker wie die von mir wirklich gehasste Soljanka – es tut mir leid, ich sage das sonst nicht über Essen, aber ich habe es mehrfach probiert weil mir immer wieder gesagt wurde ich hätte nur noch nicht „die richtige Soljanka“ probiert… aber ich habe mich jedes Mal durch den Teller gequält. Dafür lacht mich das Bairisch Stew an – so hat halt jeder seine Vorlieben und für jeden ist etwas dabei.
Und so unterschiedlich wie die Vorlieben was auf den Tisch kommt sind auch die „Leftover-Typen“. Ich habe wirklich gelacht als ich das gelesen habe weil es so putzig geschrieben ist – die Bewussten, die Bequemen, die Sparfüchse und die Kreativen werden hier kurz vorgestellt. Denn jeder hat seine ganz eigenen Gründe um die Reste aus dem Kühlschrank auf den Teller zu bringen und am Ende ist es ja ganz egal was uns antreibt, das Ergebnis zählt!
Im zweiten Abschnitt geht es an die Leftover Salatbar. Für Vincent sind Salat die einfachste Möglichkeit um Reste zu verwenden. Rohkostsalate, Ideen für eine Kichererbsenbowl, Inspiration für verschiedene Rote-Bete Salate… und auch gleich für eine Suppe falls vom Salat etwas übrig bleibt – hier wird nichts dem Zufall überlassen. Die Fakten beim Brotsalat sprechen wirklich für sich – es ist fast unfassbar was in Deutschland jährlich an Brot weggeworfen wird. Ich mache ja aus den Kanten meistens Semmelbrösel und friere, ganz ehrlich gesagt, das frisch gebackene und in Scheiben aufgeschnittene Brot immer ein. Das wird dann bei Bedarf kurz aufgetoastet und gut ist’s. Ansonsten würde es bei uns wohl oft Brotreste geben, so haben wir das auf ein Minimum reduziert. Wobei der Brotsalat mit Roastbeef wirklich sehr lecker aussieht, vielleicht sollte ich doch mal ein Stück Brot „vergessen“?
Nein, das ist ja nicht der Sinn der Sache – ich habe übrigens für dieses Kochbuch nicht ein einziges Mal eingekauft! Tatsächlich konnte ich alle drei Rezepte mit einem gut bestückten Vorratsschrank und meinen echten Resten im Kühlschrank prima umsetzen.
Als nächstes bin ich bei den Dips fündig geworden. Gleich das erste Rezept in diesem Kapitel hat mich angelacht – das Baba Ganoush. Empfohlen wird nur, dass mindestens eine halbe Aubergine da sein sollte und genau die hatte ich auch. Okay, es ist wirklich das kleinste Schälchen Baba Ganoush ever geworden – aber es war extrem lecker. Trotzdem muss ich einfach der Fairness halber anmerken, dass ich nicht sicher bin ob 45 Minuten bei 220°C im Backofen die optimale Lösung für eine halbe Aubergine sind, einfach wegen dem Energieverbrauch. Aber habe ich schon erwähnt, dass es super lecker war?
Es folgen Hummus und viele schöne Varianten für Joghurt Dips – und ich weiß ja wie sehr ihr auf Dips steht, zumindest sagt das die Besucherstatistik hier auf dem Blog. Da gibt es ein paar schöne Ideen um den halb angefangenen Joghurtbecher oder den Joghurt der wirklich unbedingt verarbeitet werden sollte aufzubrauchen. Wer sonst überhaupt keine Ideen dazu hat: macht Hähnchenspieße dazu, das geht einfach immer.
Für die übrig gebliebenen Tomaten gibt es Salsa, aus Zwiebeln und Trockenobst werden Chutneys, mit angebrochener Mayo wird Aijoli gemixt und dann gibt es noch ein paar klasse Ideen für kreative Pestos mit Leinsamen, Kopfsalat, Olivenöl und Pecorino oder klassisch mit Mandeln, Rucola, Olivenöl und Parmesan. Statt den typischen Kräutern gibt es hier viele schöne Ideen um Blattsalate zu verwerten – ich persönlich liebe ja Rucola im Pesto. Es folgt noch ein kurzer Schwank zum haltbar machen durch Einmachen oder fermentieren. Das ist natürlich gerade dann super, wenn man wenig Platz im Tiefkühler hat und trotzdem saisonal ab und an mit größeren Mengen an frischem Obst oder Gemüse versorgt wird.
Hauptgerichte – ja, ihr könnt noch mehr aus euren Resten machen als Suppen, Salate und Dips – bunte Tortillas oder Risotto klingen schon gut, ich habe mich aber für das Dal aus Linsen und Leftover entschieden. An frischem Gemüse hatte ich Süßkartoffeln und Blumenkohl da – die Süßkartoffel steht bei den Zutaten die „am vortrefflichsten passen“, der Blumenkohl hat sich aber auch sehr gut gemacht. Natürlich wären Spinat oder Zucchini optisch vielleicht noch netter gewesen, aber lecker war es auf jeden Fall.
Veggie-Burger, Fried Rice, Kumpir (gefüllte Ofenkartoffel) oder Gemüseaufläufe, Pasta oder Quiche – gefühlt gibt es kein Gericht das sich nicht auch zur Resteverwertung eignet.
Das nächste Kapitel finde ich ziemlich cool, auch wenn wir wirklich extrem selten Essen bestellen. Aber es dreht sich voll und ganz um die Reste vom Lieferservice. Da werden Antipasti genau so liebevoll verwertet wie der klare Fond einer asiatischen Suppe oder Glasnudeln. Aus dem vielen Reis den der indische Lieferservice gebracht hat wird ein Reissalat – da landet wirklich nichts mehr im Müll.
Dann kommen wir zu den Bratenresten – als Sunday Leftover wird aus dem Brathähnchen ein Hühnerfrikassee gezaubert, Bratenreste werden mit Pasta zum Ragout, Schwein, Rind, Hähnchen und Lachs werden gezupft und kommen in tollen „Pulled“ Varianten zurück auf den Tisch und auch die Eintöpfe, Salate und Stullen rufen sich mit einfachen Rezepten wieder ins Gedächtnis zurück.
Stullen isnd dann aber auch gleich nochmal ein Kapitel für sich und erinnern so überhaupt nicht an Leftover Küche und viel eher an Foodtrucks – zumindest würde mich keines der Rezepte beim Streetfood Sunday überraschen – ein Sloppy Joe als Leberkässemmel, ein Hack-Guacamole-Nacho-Brot (wer hat denn Reste von der Guacamole?!) oder eine Schweinebratenrestestulle mit Coleslaw – sogar die Namen sind cool, da denkt doch nun wirklich keiner an langweilige Resteküche.
Zwischen den einzelnen Kapiteln wird immer wieder an die richtige Lagerung erinnert, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum immer in Kombination mit dem eigenen Instinkt und etwas gesundem Menschenverstand betrachtet werden sollte und das sich so einfach unnützer Abfall einigermaßen leicht vermeiden lassen.
Am Ende gibt es sogar noch Süßkram – aus Obst wird ein Crumble, Marmelade oder ein Rumtopf, aber auch Rührkuchen, French Toast und Panna Cotta finden ihren Platz.
Alles in allem ist das Buch wirklich eine schöne Inspirationsquelle, es ermuntert dazu mutig zu sein und auch ohne genauste Mengenangaben mit einem übersichtlichen Rezept etwas leckeres zu kochen und zu experimentieren. Ich denke gerade für junge Leute in der ersten eigenen Wohnung ist das wirklich eine tolle Sache, meistens hat man nicht so viel Geld, dass man es im wahrsten Sinne des Wortes in den Müll schmeißen könnte und zum Teil fehlt einfach die Erfahrung was alles mit ein paar Basics schnell gekocht ist. Aber auch für alle anderen die sich mit dem Thema Resteverwertung befassen ist dieses Buch eine schöne Sammlung an Ideen und Infos.
Und am Ende hilft es, wenn ihr versucht euch ehrlich selbst zu reflektieren. Was werfe ich weg? Die Frage ist unbequem, aber wenn wir unsere typischen Schwachstellen kennen, dann können wir sie auch besser vermeiden. Bei mir sind das Avocados (viel zu oft) weil ich sie oft spontan kaufe und sie immer noch super aussehen bis man sie dann nach ein paar Tagen wieder in die Hand nimmt und sofort merkt, dass da unter der Schale nicht mehr viel los ist. Zum anderen ist das ab und an Frischkäse – ich denke mir: „oh, der sollte langsam weg“ und wenn ich den Becher aufmache winkt mir ein pelziges Etwas fröhlich zu. Und dann passiert es mittlerweile nicht mehr oft, aber doch ab und an, dass ich Kartoffeln aus den Augen verliere. Die halten schon echt lange durch weil ich sie gut lagern kann, aber irgendwann heißt es dann doch manchmal Endstation Kompost.
Wie sieht es bei euch aus? Warum ist Resteverwertung für euch wichtig und was sind eure liebsten Rezepte? Ich freue mich über eure Ideen oder Links 🙂
** Das Buch “Leftover” wurde mir freundlicherweise vom Umschau Verlag zur Verfügung gestellt. Meine Rezension zum Buch und zu den Rezepten ist davon unabhängig und entspricht ausschließlich meiner persönlichen Meinung.
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